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Es wird erforderlichsein, die Eltern und die Lehrer immer wieder daran zu erinnern, daß ein Erzieher, der keine Freude mehr an seiner Arbeit hat, ein Sklave seines Broterwerbs ist. Ein Sklave aber kann keine freien und beherzten Menschen heranbilden. Ihr könnt eure Schüler nicht dazu vorbereiten, morgen die Welt ihrer Träume aufzubauen, wenn ihr nicht mehr an diesen Traum glaubt. Ihr könnt sie nicht auf das Leben vorbereiten, wenn ihr nicht mehr an dieses Leben glaubt. Ihr könnt ihnen nicht mehr den richtigen Weg zeigen, wenn ihr euch müde und entmutigt an der Wegkreuzung niedergelassen habt.
(Célestin Freinet. Les Dits de Mathieu)
Heute erreichte mich per Mail ein Gruß der Mutter in der Ferne.
Darin enthalten war dieses Gedicht. Wertvolle  & wichtige Erinnerung:
Gottes Reich und die Schulen
Wenn die Kinder die Schule mögen,
schleppen sie ihre Lieblingssachen an,
den Seeigel und die Glanzbilder, den Teddybär und das winzige Kätzchen.
Wenn die Studenten den Kurs mögen,
schleppen sie ihre Lieblingssachen an,
sie kündigen Filme an und Vorträge,
sie erwähnen Bücher und bringen Artikel mit,
sie schneiden aus der Zeitung aus
und sagen hast du das gesehen?
Wenn die Studenten nichts bringen außer den Hausaufgaben,
dann weiß ich etwas läuft falsch
und wir sind nicht so weit,
dass wir das leben miteinander teilen.
Das Reich Gottes kann erst kommen,
wenn wir in allen Schulen des Landes
werden wie die Kinder.
Dorothee Sölle
In: Leidenschaft für das Leben, ein Jahresbegleiter

Dieser Text erinnert mich an  das Projekt, dass ich im Rahmen meiner Magisterarbeit durchgeführt habe. Da ich die Klasse noch nicht kannte, bat ich die Kinder, in der ersten Stunde einen Gegenstand mitzubringen, der für sie wichtig ist (dieser war dann auch das erste Objekt in ihrem Portfolio – bzw. ihrer ‚Schatzkiste‘ – das im Laufe des Projekts noch mit weiteren Dingen gefüllt wurde). Diese erste Stunde war eine sehr spannende – viele verschiedene Schätze wurden mitgebracht und der Klasse vorgestellt. Und die Kinder boten einen kleinen, aber faszinierenden Einblick in ihr Leben:

  • Stein (Erinnerung an Norwegen)
  • Foto von Freunden in Stockholm
  • Jonglierball (bei einer Clownsparty selbstgemacht)
  • Schwimmauszeichnung (Sie war die erste von mehreren Freundinnen, die Schwimmen gelernt hatte)
    sowie: Pinguin-Kuscheltier und ein Buch „Der goldene Kompass“
  • Kuscheltier-Leopard (Geschenk der besten Freundin aus der alten Schule)
  • Taschenlampe (Erinnerung an eine Messe)
  • Eiffelturm aus Eisen
  • Pokal (1.Platz bei Tennis-Turnier)
  • Beutel mit Edelsteinen
    sowie: Kuschelhase
  • Schlüssel (Fahrrad und Wohnung)
  • Kuscheltier-Tiger (Geschenk der Oma anlässlich der 1. Übernachtung bei dieser)
  • Foto eines BMWs (Lieblingsauto)
  • Foto von Freundinnen in Berlin (Besuch vor kurzem)
  • Muschel („bester Glücksbringer“ → Fundstück beim Mallorca-Urlaub; Krebs bewohnte diese, krabbelte dann aber auf den hingehaltenen Stein)
  • Kreuz aus Bronze (Erstkommunion)

Gestern hatte ich die Möglichkeit nach der Schule mal ein wenig Hortluft zu schnuppern oder – um es mit den Worten des Hortteams & der Hortkinder zu sagen: «Liebe Lehrer, das Hortteam und die Kinder würden Sie gerne im Rahmen der Kooperation zu einem ‹kleinen› Besuch im Hort einladen. Schön wäre es, wenn Sie direkt zum Mittagessen kommen, um gemeinsam mit uns zu essen. Vielleicht wollen Sie danach noch in die Hausaufgabenbetreuung oder die Spielzimmer schauen. […] Wir würden uns sehr über einen Besuch von Ihnen freuen!».

Ich habe mir richtig viel Zeit genommen und alle Punkte in Ruhe ‹abgehakt›, d.h. mit den Kindern gegessen, bei den Hausaufgaben geholfen und mit ihnen gespielt. Zwei Begegnungen waren für mich dabei sehr einprägsam:

Zum einen war dies die Zeit mit zwei Viertklässlern, die ich im Unterricht oftmals als sehr anstrengend, störend und unmotiviert wahrnehme. Zu Beginn meines Besuchs waren die beiden aufgedreht, haben Quatsch gemacht und teilweise recht patschige Antworten gegeben. Ich bat sie, mich doch mal durch den Hort zu führen und irgendwann – als wir zu dem Werkraum kamen, in dem sie mir ihre selbst gemachten Holzarbeiten¹ vorstellen konnten – bemerkte ich eine bisher nur selten erlebte Ernsthaftigkeit der beiden. Sie erklärten mir, welche Materialien und Werkzeuge für welche Altersstufe vorgesehen und was die zu erfüllenden Voraussetzungen für das Arbeiten an der Werkbank sind. In der Lese- und Spielecke fragten sie nach meinen Schachkenntnissen und brachten mir diese – da nur rudimentär vorhanden – mit einer ‹Vorführung› ins Gedächtnis zurück. Anschließend spielten wir zu dritt ein weiteres Spiel und ich erlebte ‹ganz nebenbei› die geduldige (und erstaunliche) Gelassenheit des einen Jungen mit einem jüngeren Mädchen, das immer mal wieder das Spiel zu unterbrechen suchte. Die bereits erwähnte Ernsthaftigkeit der beiden habe ich im Rahmen des Unterrichts erst einmal – bei einer sehr offenen Werkstatt – wahrgenommen und komme einmal mehr zu der Annahme, dass (gerade bei diesen beiden Kindern) nicht die Persönlichkeit, sondern empfundende und erlebte institutionelle Reglementierungen inneren und äußeren Widerstand hervorrufen.

Die zweite Begegnung fand im «Lustigen Zipf» statt. Dies ist ein kleiner Bereich im Essenssaal, welchen die Kinder als Café eingerichtet haben. Hinter einem Vorhang befindet sich der Trakt der Bediensteten, d.h. Büro für den Geschäftsführer, Küche für den Koch und das Servicepersonal; davor steht ein einzelner runder Tisch mit vier Stühlen, einer Tischdecke und einem adventlich geschmückten Kerzenteller.  An diesem Tisch darf ich Platz nehmen und erhalte direkt die Karte mit der Aufforderung ein Getränk sowie eine Mahlzeit auszuwählen. Die Bestellung wird entgegengenommen, notiert und in die Küche weitergereicht. Kurze Zeit später erhalte ich meine heiße Schokolade und ein Stück Gebäck – beides aus der Puppenküche geborgt. Nach dem Genuss von Kakao, Kuchen und Kerzenlicht, bitte ich darum zahlen zu dürfen, erhalte (unter der Hand) das erforderliche Spielzeuggeld und  (offiziell) die sauber aufgelistete Rechnung:

Begeistert, ob des tollen Services, gab ich ordentlich Trinkgeld. Ging allerdings mit der im Kopf herum geisternden Frage: Wenn das hier so toll klappt – warum haben die Kinder nicht die Möglichkeit, das auch ‹in Echt› zu machen?²

¹ Welche sich wunderbar für unsere Klugheiten-Präsentation eignen!
²Ich erwäge dies – nach meinen Prüfungen – in die Tat umzusetzen (und dabei als verantwortliche Betreuung zu fungieren). Und sei es nur ein Mal (im Monat).

Wenn aber Rechtschreibung und Zeichensetzung mehr Zeit gekostet haben, als die Auseinandersetzung mit Liebe, Frieden, Freiheit, Solidarität, Glück & Tod - und dann nicht mal gekonnt werden - , dann sollten Heranwachsende eine solche »Bildungsinstitution« nicht mehr so wichtig nehmen...

(Herbert Gudjons 2003, 207)

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